Aquaristik ohne Geheimnisse

Zur Beurteilung von Haltungsbedingungen

oder

"wann fühlt sich ein Fisch wohl?"

Normalerweise meide ich solche fettnapfhaltigen Themen, aber in diesem Falle möchte ich doch meine Position darstellen. Hintergrund ist der, das dieses Thema in Internetforen zumeist "zu emotional" bis hin zu naiv behandelt wird bzw. sich die "Erkenntnisse" zu sehr in eine Richtung bewegen. Das wiederum führt dazu, dass stille und neue Mitleser leicht auf einen Holzweg geraten was ihrer aquaristischen Entwicklung abträglich ist.

Wir können unsere Fische nicht befragen sondern müssen uns selbst einen Eindruck darüber verschaffen ob wir unsere Fische vernünftig halten. Die intensiveren Aquarianer formulieren das allerdings in "die Fische stehen gut" oder "sie stehen nicht gut". Damit ist viel mehr gemeint als nur "wohlfühlen", es meint auch den Gesundheitszustand der Tiere, alles wie sie rüberkommen, ob sie sich normal verhalten oder irgendwie negativ auffällig sind.

Fisch vs. Aquarianer

Eine gute und brauchbare Beurteilung ist möglichst frei von Emotionen. Das ist wichtig, denn nur dann kann man davon ausgehen das man ein möglichst objektives Ergebnis erlangt. Das wäre z.B. nicht der Fall wenn man den optischen Zustand des Aquariums zu sehr mitbewerten würde. Die Fische interessiert es schlicht und einfach nicht ob Algen an der Scheibe sind, viele Aquarianer sehr wohl. Sie bewertet sowas schnell negativ. Den Fisch interessiert es auch nicht ob das Aquarium "aufgeräumt" ist oder Mulm rumwirbelt, viele Aquarianer sehen das negativ und würden solche Bedingungen als schlecht bewerten.
So passiert es ganz schnell das die unterschiedlichen Interessen von Fisch und Aquarianer unzulässig gemischt werden. Man sollte also tunlichst darauf achten nur die Einflüsse zu sehen, die tatsächlich für den Fisch von Bedeutung sind und das kann durchaus heißen das braungefärbtes Wasser ein gutes Zeichen ist. An dieser Stelle scheitern schon die meisten Leute mit ihrer Beurteilung von Haltungsbedingungen.

Alles sind Kompromisse

So leid es mir tut, die Aquarienhaltung ist immer nur ein Kompromiss. Über weite Strecken aber gar kein so schlechter, denn Fressfeinde und Tod durch Gewässeraustrocknung und viele Parasiten fallen weg. Deshalb können unsere Fische im Aquarium Alterswerte erreichen, die ihnen in der Natur bei weitem nicht vergönnt sind. Soll man auch mal so sehen.
Ansonsten kann man sagen, dass je mehr Fischarten in einem Aquarium sind, desto kleiner der gemeinsame Nenner ist. Also, je mehr Fischarten in einem Aquarium sind, desto weniger kann auf die Bedüfnisse einer Art eingegangen werden. Das ist nämlich beileibe nicht mit den vermeindlich gleichen und "optimalen" Wasserwerten getan, dazu gehört schon mehr.

Die Checkliste

Am besten man geht der Reihe nach vor und rpüft nach klaren Kriterien wie die Fische stehen. Ohne Wertung der Reihenfolge würde ich nennen:
Wirkt der Fisch gesund, stark, schwach, unterdrückt, vergreist?
Wenn ein Fisch älter ist darf er auch so aussehen. Ansonsten sollte er aber z.B. keinen Messerrücken haben oder übergroße Augen. Auch wenn sie quasi lustlos herumhängen ist das nicht unbedingt ein gutes Zeichen. Der allgemeine Ernährungszustand ist üblicherweise auch gut zu erkennen.
Flossenzustand
Wenn bei aggressiveren Arten viele Tiere im Aquarium sind bleiben Flossenschäden nicht aus. Das ist z.B. in Aufzuchtbecken der Fall und macht in gewissen Grenzen auch nichts aus. Allerdings sollten normal keine nennenswerte Flossenschäden bei Tieren in "ruhiger" Haltung auftreten. Ebenso sollte das Schuppenbild nicht aufgerissen sein.
Sind die Tiere odnungsgemäß gefärbt?
Bei jungen Tieren etlicher Arten kann man nicht die volle Färbung erwarten, bei ganz alten auch nicht. Ebenso wenig bei Tieren die in der Rangordnung nicht oben stehen. Die Alpha-Tiere sollten aber schon eine deutliche Färbung aufweisen und in gewisser Weise "arrogant" wirken.
Vermehrung
Ein wichtiges Indiz sind wenigstens Vermehrunganstrengungen. Viele Fischarten machen es nur wenn ihnen die Bedingungen absolut zusagen. Zwar wird dieses im Internet vielfach in Abrede gestellt, aber ich kenne keinen Züchter, inbesondere keinen der sich mit schwierigen Fällen abgibt, der nicht um die Bedeutung der richtigen Bedingungen weiß. Hier sei auf den Passus "Fisch vs. Aquarianer" verwiesen, also bitte nicht die eigenen Vorstellung von guter Haltung mit denen der Fische verwechseln. Der Fehler ist sehr schnell gemacht.
Fischalter
Gerne wird hohes Fischalter als Indiz für gute Haltungsbedingungen herangezogen. Das erscheint zwar naheliegend und einleuchtend, ist aber bei näherer Betrachtung nicht schlüssig.
Zum einen weil es nur rückwirkend gilt und nichts über die aktuelle Situation aussagt. Auch wird dabei vernachlässigt, dass insbesondere stressfrei lebende Einzeltiere ein hohes Alter erreichen. Ein Fisch der unter "Sozialdruck" steht und sich in einer Gruppe behaupten muss oder aber sich kräftig vermehrt, der wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht so alt. Würde man jedoch das Fischalter zum wichtigen Kriterium machen, so müsste man sich nur Einzeltiere halten und alles wäre gut. Das kann es ja wohl nicht sein.
Aquarieneinrichtung
Jetzt wird es subjektiv. Etliche Dinge sind klar erkennbar, so sollten bodenwühlende Fische ihren Sand haben, verstecktlebende Fische ihre Pflanzen und evtl. sogar eingefärbtes Wasser, stark freischwimmende Fische ihren ausgeprägten Schwimmbereich, Höhlenbewohner ihre Höhlen und so weiter, aber es bleibt etwas was man tatsächlich nur "aus dem Bauch heraus" beurteilen kann.
Artenzusammensetzung
Wenn schon verschiedene Arten in einem Aquarium zusammen gehalten werden, dann sollten die Arten wenigstens so gewählt sein das sie entweder einander sehr ähnlich sind oder aber so verschieden das sie sich gegenseitig nicht behindern, nicht mal versehentlich. Als Extrembeispiel wäre eine oberflächenbewohnende Art zusammen mit Welsen zu nennen. Was ungünstiger ist, sind Corydoras mit revierbildenden Fischen am Boden oder Fischarten die gleichermaßen in Höhlen leben möchten. Verschiedene Corydoras-Arten hingegen gehen sehr gut zusammen.
Aquariengröße
Das Aquarium muss groß genug sein für die Fische. Dabei ist allerdings nicht nur das Volumen von Bedeutung. Bei Oberflächenfischen spielt die Größe der Oberfläche die eigentliche Hauptrolle, bei Bodenfischen entsprechend die nutzbare Bodenoberfläche. Das muss zur Fischart und Fischmenge passen. Bei reinen Artbecken muss das Aquarium dabei allerdings nicht so groß sein wie bei Gesellschaftsbecken.
Artbecken
Die Haltung in Artbecken ist eigentlich immer von Vorteil. Das bringt Pluspunkte und zwar kräftige.
Wasserwerte
Bewusst als letztes zähle ich die Wasserwerte auf. Die werden häufig zu hoch bewertet. Dieses zumeist von Leute die in ihrer aquaristischen Lehrzeit von Internetforen begleitet wurden. Darin werden teilweise bis heute die Wasserwerte maßlos überbewertet und die unkritischen Schüler geraten in eine gedankliche Sackgasse. Sie glauben das die Wasserwerte maßgeblich für Erfolg oder Misserfolg in der Aquaristik zuständig sind. Ganz klar: Es gibt Fischarten die sehr empfindlich sind, aber das oftmals eher gegen schnelle Änderungen der Wasserwerteänderung als solche und weniger gegen die Werte an sich. Das wird leicht verwechselt und falsch gedeutet.

und was sagt das jetzt?

Sicherlich wird man nicht alles obergut abdecken können. Das ist über weite Strecken auch nicht erforderlich. Allerdings kann man nicht fehlendes Lebendfutter durch hypergenaues "optimales" Einstellen von Wasserwerten oder große Becken kompensieren. Das wird leider gerne versucht und man sollte sich hüten diesem Irrtum zu verfallen. Wer also meint seinen Fischen durch ein sehr großes Aquarium einen Gefallen zu tun, dann aber nur mit Trockenfutter füttert, der sollte sich seiner Sache nicht so sicher sein.
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Autor: Olaf D.   Stand: 2010-09-27   File: http://www.deters-ing.de/Fische/Wohlfuehlen.htm   User online: 1